Die Pfadfinder – Navigation für Radfahrer

Süddeutsche Zeitung vom 25.06.2012
Von Peter Stelzel-Morawietz

Radroutenplanung ist komplexer als Autonavigation. Entsprechend groß sind die Herausforderungen an die Geräte. Diese Alternativen speziell für Fahrräder bringen Sie ans Ziel.

Beim Auto ist die Sache einfach: Adresse ins Navi eintippen und schon geht es auf dem schnellsten oder kürzesten Weg auf befestigten Straßen zum Ziel, fertig. Die automatische Routenplanung fürs Radfahren ist dagegen wesentlich schwieriger. Sportliche Rennradfahrer möchten schnell vorankommen, Mountainbiker wiederum suchen abseits der Straßen unbefestigte Wege, Eltern mit Kindern wollen keine Steigungen und wieder andere Radler wünschen sich eine möglichst schöne Strecke.

Doch was bedeutet schön? Wie viel Umweg nimmt man für einen landschaftlich objektiv reizvollen Abschnitt in Kauf? Wo ist die persönliche Schmerzgrenze bei Steigung und Straßenbeschaffenheit? Schon diese Beispiele zeigen, wie komplex die Auswahl der richtigen Radroute ist.

Lange Zeit war die Planung einer auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnittenen Route unmöglich: Der Fahrradmodus im Auto-Navi (wenn vorhanden) sperrte nur die Autobahnen, selbst radspezifische Planungsprogramme für den PC ließen wichtige Optionen vermissen und die automatische Zielführung wie im Auto ist auf den GPS-Geräten für den Outdoor-Gebrauch längst nicht Standard. Selbst auf den neuesten Modellen ist meist jenseits von 60 Kilometern Entfernung Schluss, weil die Prozessoren angesichts der Vielzahl der zu berücksichtigen Parameter passen müssen.

Fahrrad-Navigation Speziell Online-Portale für Fahrräder

Leistungsfähiger sind spezielle Online-Portale für die Planung von Radtouren. Ursprünglich waren es meist lokale Projekte für eine Stadt oder Region, doch seit rund zwei Jahren existieren auch deutschlandweite und sogar gesamteuropäische Ansätze. Herausragend ist der Radroutenplaner Baden-Württemberg, der die Tourenplanung im gesamten Bundesgebiet erlaubt. Nur möchte man die Qualität in den übrigen Bundesländern nicht garantieren, schränkt Geograf Michael Öhmann von der am Projekt beteiligten Nahverkehrsgesellschaft in Stuttgart ein. In der Praxis aber erreicht die Seite auch außerhalb Baden-Württembergs sinnvolle Ergebnisse. Die Eingabe von Start und Ziel funktioniert dank automatischer Adressvervollständigung einfach, die Profilauswahl reicht von der Fahrradmitnahme im Zug über die Bevorzugung von Fernradwegen bis zur Strecke mit minimalem Anstieg – für beliebige Teilstrecken auch einzeln einstellbar. Wenn dann die Berechnung einer 400-Kilometer-Tour trotz geballter Serverkapazität im Hintergrund fast eine Minute dauert, wird schnell klar, warum ein Handgerät damit überfordert ist.

Ein Tourenportal gibt es auch vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), der aber zwei Cent pro geplantem Kilometer verlangt. ADFC-Mitglieder erhalten jährlich 500 Freikilometer.
So weit, so gut. Doch damit existiert die Tour erst einmal nur auf dem Rechner oder als Ausdruck auf dem Papier. Zwar lässt sich das Ergebnis als so genannter Track aufs Smartphone oder GPS-Gerät übertragen, doch damit hat man bloß eine Linie auf dem kleinen Display; akustische Abbiegehinweise werden nicht gegeben. Unterwegs bleibt dem Radfahrer so nichts anderes übrig, als die Anzeige am Fahrradlenker ständig im Blick zu haben.
Diese Einschränkung gilt auch für die beiden Online-Portale Naviki und Komoot: Das Autorouting funktioniert nicht auf dem GPS-Gerät. Beim kostenlosen Naviki-Projekt hakt zudem mitunter die Adresseingabe, komfortabler ist da die kommerzielle Komoot-Seite. Allerdings stehen hier derzeit nur vier Profile zur Verfügung, Rennrad- und Mehrtagestouren lassen sich damit nicht planen.

Neben der Download-Option der online berechneten Touren bieten beide Portale mobile Apps fürs iPhone und für Android-Smartphones, die unterwegs sogar mit Abbiegehinweisen den Weg weisen. Allerdings sind die meisten Handy-Akkus bei permanent eingeschaltetem GPS-Empfänger nach rund vier Stunden leer – nichts für eine längere Tour.

Fahrrad-Navigation GPS-Geräte mit Routenplanung

Sind also spezielle GPS-Geräte fürs Fahrrad die bessere Alternative? Eindeutig beantworten lässt sich diese Frage nicht. Zum einen gibt es nur vergleichsweise wenige spezielle Fahrrad-Navis. Dazu zählen das Edge 800 von Garmin, die Ibex- und Lux-Geräte von Falk, das Dayton GP7 von VDO und zwei neue Cyclo-Modelle von Mio. Mit Preisen zwischen 350 und 500 Euro inklusive routingfähiger Deutschlandkarte sind die Geräte nicht gerade billig. Für zusätzliches Kartenmaterial weiterer Länder muss man nochmals tief in die Tasche greifen, meist rund 200 Euro pro Land.

Eine breitere Modellauswahl hat man bei den universellen Outdoor-GPS-Geräten. Hier gilt es allerdings genau aufzupassen, ob und in welchem Umfang sie sich wirklich zum Radfahren eignen. So bietet beispielsweise die neue digitale Deutschland-Karte Topo 2012 von Garmin zwar eine vollautomatische Zielführung inklusive vielen Aktivitätsprofilen wie Mountainbike oder Rennrad, den vollen Funktionsumfang kann man allerdings nicht auf allen Garmin-Geräten nutzen.

Eine kostenlose Alternative stellen die frei zum Download verfügbaren Open Street Maps (OSM) dar, die für viele Regionen inzwischen ebenfalls routingfähig sind. In der Praxis hapert es bei längeren Touren aber wieder an der Prozessorleistung der Handgeräte.

Schließlich lassen sich auf Track-Portalen wie GPSies tausende fertiger Touren herunterladen, aufs GPS-Gerät überspielen und nachfahren – allerdings wieder nur als Tracks ohne Hinweise zum Abbiegen. Radfahren ist also auch weiterhin nicht nur für die Beine anstrengend. Auch der Kopf ist vorrangig beteiligt, wenn es darum geht, am Ende auf der gewünschten Strecke ans Ziel zu kommen.

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